Verfasst von Was ist das?

Dem Abschied gewahr werden

Wenn du das Loslassen als stetiger Begleiter deines Lebens akzeptierst, werden Abschiede nicht weniger schmerzvoll, aber vielleicht etwas leichter.

Abschiede begleiten uns ein Leben lang, von der Kindheit bis zum Tod. Manche kommen völlig unerwartet, werden zum Schicksalsschlag, andere wiederum sind absehbar und manchmal sogar planbar. Sie können sich über Jahre hinwegziehen, ohne Spuren zu hinterlassen, oder dich mit einer solchen Wucht treffen, dass du das Gleichgewicht verlierst. Eines haben sie aber alle gemein: Sie markieren einen Neuanfang.

Mit einem “Tschüss, bis später” oder “Auf Wiedersehen” verabschieden uns tagtäglich – von unserer Familie, Freunden, Arbeitskollegen, Bekannten. Und dabei wissen wir, dieser Abschied ist nicht von langer Dauer und sich wiederholend. Es gibt Abschiede auf Zeit und es gibt Abschiede für immer, die du nur ein einziges Mal erleben wirst. Wir verabschieden uns von Lebensphasen, Konventionen, Einstellungen, Bedingungen oder festen Meinungen, meist schleichend und unbewusst. Sie hinterlassen uns Erinnerungen an eine frühere Zeit, Wehmut, Demut, Lachen und manchmal auch Schmerz.

Die Konfrontation mit der Endlichkeit

Am stärksten aber spürst du den Schmerz in deiner Brust, wenn es um endgültige Abschiede geliebter Menschen geht, die dich begleitet haben. Dann kann die Verengung in dir schier unerträglich werden. Kennst du den Moment, in dem dir bewusst wird, dass du diesen Menschen nicht mehr wieder sehen wirst? Was wolltest du ihm noch alles sagen? Was hättest du niemals zu ihm sagen sollen? Es ist ein Moment in deinem Leben, der dich mit dem Tod – auch mit dem eigenen – konfrontiert. Du verlierst die Kontrolle, bist machtlos und wirst ohnmächtig. Du kannst nichts mehr tun, es ist nichts mehr zu tun. Und das zu akzeptieren ist nicht einfach.

Loslassen als steiger Begleiter unseres Lebens

Loslassen und anzuerkennen, dass der Tod Teil unseres Lebens ist, so wie alle kleinen Abschiede davor, scheint wie ein stetiger Lernprozess, der das ganze Leben lang andauert. So lehrt es uns loszulassen, im Kleinen wie im Großen von Gütern, Werten, Überzeugungen und Menschen. Vielleicht ist es eine Art Vorbereitung, nämlich die Vorbereitung auf den eigenen Tod. Nur wer mit seinem letzten Atemzug zum allerletzten Mal loslassen kann, kann in Liebe und Frieden diese Welt verlassen. Denn – und das ist die Erkenntnis, die ich für mich gefunden habe – je mehr ich mich mit der (eigenen) Vergänglichkeit auseinandersetze, desto leichter kann ich gehen, wenn es soweit ist.

Aus “Alt” wird “Neu”

Und vor diesem Hintergrund bliebe man ohne diese stetigen Abschiede auf der Stelle stehen. Das Loslassen von „Altem“ ließe dem Neuen keinen Platz. Weiterentwicklung – und das Leben ist Entwicklung – könnte nicht stattfinden. Das zeigt uns auch die Beobachtung der Natur. Daher: Sei dir deiner Abschiede (jeglicher Art) bewusst, denn sie markieren einen Neuanfang, in dem du jetzt vielleicht sogar mittendrin steckst.